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Ein sehr persönlicher Blogpost

Eine Nacht in der ich nicht schlafen kann. Eine Nacht in der ich meinen Gedanken hinterherhänge.

Vor etwa einem Jahr schrieb ich einen Text der mit den Worten „Vor einigen Jahren hat mein Leben eine Wende widerfahren.“ begann. Nun blicke ich auf die letzten Monate zurück und stelle fest, dass es eine weitere Wende gab. Anfang des Jahres war ich komplett ausgebrannt. Mein damaliger Job brachte mich an den Rand des Burn-Outs und auch die Erfahrungen der Flora-Demo im Dezember letzten Jahres beschäftigten mich länger. Ich verlor meinen Job und zog mich zurück, vegetierte fast einen Monat nur vor mich hin. Unfähig irgendetwas zu tun. Das Arbeitsamt reagierte und steckte mich in eine Maßnahme. Eine Mitarbeiterin des Anbieters erkannte mich als politischen Menschen und gab mir im Rahmen ihrer Möglichkeiten Freiräume. Davon motiviert machte ich mich träge auf Jobsuche und nutzte die Tage zum Schreiben, lesen oder um mich mit Menschen zu treffen. Ein neuer und erträglich wirkender Job war erstaunlich schnell gefunden und auch mein Anliegen auf ein paar weitere Monate Freizeit wurde akzeptiert.

Ende Mai entstand das Refugeecamp Hannover. Ein Anlaufpunkt für mich. Eine Möglichkeit mit der erkämpften Zeit ohne Lohnarbeitszwang etwas zu bewegen. Eine Eigenart des Camps war, dass es nicht die üblichen politischen Kreise als Supporter ansprach. So lernte ich viele neue Menschen kennen und vertiefte den Kontakt zu flüchtigen Bekanntschaften. Eine unglaublich intensive Zeit begann. Der Kampfeswille der Refugees motivierte mich. Schutzschichten, Dinge organisieren, Demonstrationen, nächtliches durch die Stadt streifen, Plena. Zu einer Person aus dem Supporterkreis baute ich eine besonders enge Bindung auf. Etwas, dass ich für mich nicht für möglich gehalten hatte. Zwischen uns entwickelte sich etwas jenseits der gängigen Normen von Liebe, Beziehung und Partnerschaft. Etwas das Halt und Kraft gibt, das schön ist und nicht belastet. Etwas, dass sich leicht und fest zugleich anfühlt. Über die Reaktionen meines Umfelds darauf schrieb ich den Text „Seid ihr jetzt zusammen?“. Auch die Texte „Dachbodenphilosophie“ und „Wo seid ihr geblieben?“ beruhen auf Gesprächen und Diskussionen mit dieser Person.

Über die einzelnen Erfahrungen und Erlebnisse im Camp lässt sich jetzt schon viel erzählen.  Aber für diese Geschichte bin ich der falsche Erzähler. Diese intensive Phase und ein Projekt verschlugen mich außerdem nach Prag, Jena, Berlin und Lüneburg und führte dazu das ich in meinem Rucksack oder Beutel Tag für Tag Ersatzwäsche und Hygieneartikel mitnahm, weil ich nie wusste ob ich zu Hause schlafen würde. In den meisten Fällen tat ich es nicht. Dort stapelten sich lediglich die Post und die verpassten Anrufe auf dem Anrufbeantworter. Aber das war mir egal. Ich saß auf Dachböden, in Parks, lief abends an der Moldau entlang, streifte durch eine Fabrikruine oder lag in fremden Betten.* Ich diskutierte mit besorgten Anwohnern, Anti-Ds und Anti-Imps, aß Pizza mit einem bekannten Pfarrer aus Jena und alberte mit Berliner Piraten herum. Ich war permanent unter Menschen und genoss ihre Gegenwart. Ich lernte von ihnen und gab meine Erfahrungen und Wissen weiter. Etwas das ich einige Monate vorher noch nicht für möglich gehalten hatte. Ich veränderte mich. Mir wurde die Veränderung, die ich durchlief zum ersten Mal bewusst als ich mich auf die Waage stellte und feststellte dass ich mehr als 10 Kilo abgenommen hatte. Ein paar Tage später stand ich in einer Umkleidekabine und musterte mich in körperbetonender Kleidung. Ich gefiel mir. Ganz besonders die langen Gespräche mit dem mir nun sehr nahe stehenden Menschen zeigten mir wie sehr ich mich verändert habe. Wie sehr ich das Leben plötzlich genoss und welche große Energie ich aufbringen konnte. Ich konnte mich plötzlich über kleine Dinge unglaublich freuen. Größere Rückschläge warfen mich nicht mehr aus der Bahn, sondern ließen mich nach vorne blicken. Ich ließ Menschen plötzlich an meiner intimsten Gefühlswelt teilhaben und sprach über schwere Erfahrungen aus meiner Vergangenheit – und es fühlte sich gut an.

*(Anmerkung des Anarchiemädchens: In fremden Betten? ich habe nur ein Bett!)

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